
Mobbing in der Schule

Das erfahren Sie in diesem Beitrag
Wenn alle gegen einen stehen
„Ich wurde in der Schule in der 5ten und 6ten Klasse mit Gewalt und Beleidigungen gemobbt. Ich habe mit vielen Erwachsenen gesprochen, aber sie haben mich nicht ernst genommen. (…) In der 8ten Klasse wurde ich ignoriert, immer, auch bei Gruppenarbeiten oder beim Austeilen von Blättern.
Ich habe mit meiner Klassenlehrerin gesprochen, aber sie wusste auch nicht wirklich was sie machen konnte, da ich keine Ansprechperson mehr in der Klasse hatte. (…) Jetzt komme ich in die 10te Klasse. (…) Ich kenne fast niemanden aus der Klasse, aber ich weiß von denen, die noch mit mir sprechen, dass alle irgendwelche Gerüchte über mich kennen und mich jetzt schon hassen.“
Wenn Unstimmigkeiten zwischen Kindern und Jugendlichen die Grenzen von normalen kleineren Streitigkeiten weit hinter sich lassen, sind viele Betroffene, aber auch Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer hilflos. Das zeigt auch der zitierte Auszug aus einem Foreneintrag einer 15-jährigen Nutzerin auf der Anti-Mobbing-Homepage Mobbing – Schluss damit vom 16.8.2014 eindrücklich!
Mobbing – ein altes Phänomen mit neuem Namen
Von Mobbing spricht man, wenn Angriffe auf einzelne Schüler über einen längeren Zeitraum andauern.
Der Begriff wurde Ende der 1970er Jahre erstmals durch den Psychologen Heinz Leymann für Schikanen in der Arbeitswelt angewendet. Im Laufe der 1990er Jahre kam es zu einer verstärkten öffentlichen Rezeption und zur Übertragung auf entsprechende Vorgänge in der Schule.
Mobbing ist ein neues Wort für ein altes Phänomen. Doch die neue Bezeichnung brachte positive Auswirkungen mit sich: Durch die öffentliche Wahrnehmung kam es zur Entwicklung eines Problembewusstseins und damit einhergehend entstanden mehr Hilfsangebote für Betroffene.
Opfer von Mobbing können, wie es auch der Forenbeitrag beschreibt, sowohl physisch wie auch psychisch schikaniert werden. Der Schaden dieser Art des Psychoterrors durch Lügen, Gerüchte, Drohungen, Beschimpfungen und Ausgrenzung mag dabei mindestens ebenso groß sein, wie der, der durch körperliche Gewalt angerichtet wird.
Die Handlungen von Mobbern haben kein anderes Ziel, als den Mitschüler sozial zu isolieren und dadurch „fertigzumachen“. Betroffenen fällt es meist schwer, sich aus der Opferrolle zu befreien, denn sie stehen allein gegen eine große Mehrheit von Tätern und „den anderen“, die schweigend zusehen.
Und Mobbingfälle an Schulen sind nicht selten: Die 2017 veröffentlichte PISA-Sonderauswertung zum Wohlbefinden von Jugendlichen zeigte, dass etwa jeder sechste 15-Jährige (15,7%) regelmäßig körperliche und psychische Attacken durch Mitschüler erdulden muss.
Das zeigt, wie wichtig es ist, dass Mobbing seit einigen Jahren verstärkt öffentlich diskutiert wird und Initiativen gegen Mobbing gestartet wurden. An zahlreichen Schulen hat das Thema als Teil der Einheit zur Gewaltprävention inzwischen auch Eingang in den Schulunterricht gefunden.
Wie erkennen Sie Mobbing: Wer ist betroffen, wer sind die Täter?
Während in der Regel allen Schülern einer Klasse bewusst ist, dass jemand aus ihrer Mitte drangsaliert und ausgegrenzt wird, sind solche Prozesse für Sie nur schwer ersichtlich.
Die Täter agieren dann, wenn sie keine Strafen für ihr Tun erwarten müssen – also außerhalb des Blickfelds einer Aufsichtsperson in den Pausen oder auf dem Schulweg. Nicht sichtbare Kommunikationsstrukturen auf den verschiedensten Ebenen machen es schwer, Mobbing eindeutig zu identifizieren. Passiv Beteiligte sind ratlos, schweigen aus Angst vor den Tätern oder aus einer voyeuristischen Lust des Betrachtens.
Die Motivationen für Mobbing reichen von Langeweile über Wut bis hin zu eigenen Ängsten, die überspielt werden. Auch gruppendynamische Faktoren und damit verbunden Eifersucht, Konkurrenzdenken oder die Ankunft von neuen Mitschülern sind mögliche Ursachen.
Von den Attacken kann jeder getroffen werden, auch beliebte Schüler. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass der Gemobbte aus irgendeinem Grund eine Ausstrahlung von Angreifbarkeit vermittelt, die von anderen unbewusst wahrgenommen und ausgenutzt wird. Mangelndes Selbstbewusstsein, Aussehen, Unsportlichkeit, Strebsamkeit, Kleidung, Musikgeschmack oder Hobbys sind nur einige der Ansatzpunkte für Mobber.
Wie Entwicklungspsychologin Mechthild Schäfer von der LMU München auf Spektrum.de beschreibt, nutzen die Täter ihre Opfer um das eigene Ansehen in der Gruppe zu verbessern und Status zu gewinnen.
Wenn Sie bei Schülern häufige Fehlzeiten, den Wunsch nach Begleitung auf dem Schulweg, den Verlust von Geld oder anderen persönlichen Gegenständen (Entwendung durch die Mobber), Konzentrationsschwäche, plötzliches Stottern, Albträume, soziale Isolation oder ein Leistungsabfall feststellen, können dies Hinweise auf Mobbing sein.
Auswirkungen von Mobbing
Diese Anzeichen müssen Sie ernst nehmen! Greifen Sie und die Eltern nicht ein, weil Sie der Situation hilflos gegenüberstehen oder sie als übertrieben beurteilen bzw. das Mobbingopfer als zu sensibel, kann dem Schüler eine so lange Leidenszeit bevorstehen, wie in dem zu anfangs geschilderten Fall.
Je länger Mobbing anhält, umso schwieriger ist es, den Betroffenen wieder in die Klassengemeinschaft zu integrieren. Die Folge können gesundheitliche Beeinträchtigungen sein: Die Angst vor Übergriffen führt bei Mobbingopfern zu anhaltendem Stress und als dessen Folge auch zu körperlichen Symptomen (Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen), schwindendem Selbstbewusstsein und Depressionen, bis hin zu Suizidgedanken.
Eine 2013 in der Fachzeitschrift „Jama Psychiatry“ veröffentlichte Studie belegt außerdem eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Langzeitfolgen wie Angststörungen und Depressionen.
Da Betroffene die Schuld oft bei sich selbst suchen und sich schämen, wenden sich nur wenige Schüler direkt an eine Lehrkraft oder andere Erwachsene. Das und die Angst vor der Klasse als Petze dazustehen, erschwert offene Gespräche. Um Schüler aus einer Mobbingsituation zu befreien, ist es deshalb umso wichtiger, deutlich zu machen, dass die Schuld nie bei den Opfern liegt!
Deshalb ist es so wichtig, dass Schule, Lehrkräfte und Eltern Präventionsmaßnahmen gegen Mobbing und Cybermobbing ergreifen!
Maßnahmen gegen Mobbing
Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Schüler gemobbt wird oder Sie von gemobbten Schülern bzw. Mitschülern von Schikanen in Kenntnis gesetzt werden, sollten Sie rasch handeln!
Ein schnelles Eingreifen kann verhindern, dass die Situation die Klassengemeinschaft beeinträchtigt und die Persönlichkeit des Mobbing-Opfers nachhaltig Schaden nimmt.
Die Beteiligten selbst finden kaum einen Ausweg aus der Situation und benötigen in der Regel Hilfe von außen. Da ein schwaches Selbstwertgefühl oftmals kennzeichnend für die Opfer ist, besteht in der Persönlichkeitsstärkung und der Stärkung in der sozialen Kompetenz ein erster Lösungsansatz. Die folgende Auflistung zeigt weitere Schritte gegen Mobbing:
Präventive Maßnahmen
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Anti-Mobbing-Unterricht
Viele Schulen führen inzwischen präventive Maßnahmen im Unterricht gegen Gewalt und Mobbing durch.
In Projekten lernen die Schüler, eigene Wünsche und die der Freunde zu erkennen, mit unterschiedlichen Erwartungen umzugehen und Freundschaften ihren Bedürfnissen entsprechend zu gestalten und zu pflegen.
Solche Maßnahmen schaffen ein offenes Schulklima, in der eine konstruktive Gesprächs- und Streitkultur gepflegt werden kann.
Diese Aufklärungsarbeit erleichtert es Kindern, Mobbingsituationen nicht hilflos gegenüber zu stehen, sondern Rat und Hilfe von Erwachsenen einzufordern und anzunehmen. Zudem müssen den potentiellen Tätern, die Konsequenzen ihres Handelns für sie selbst und die Opfer aufgezeigt werden. -
Kummerkasten
Diese Behältnisse dienen als Aufbewahrungsort für seelisch belastende Gedanken und Gefühle. Betroffene können hier anonym auf ihre Probleme aufmerksam machen, ohne gleich ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht führen zu müssen. -
Umfragen zum Klassenklima
Regelmäßige anonyme Umfragen zum Klassenklima können Hinweise auf Mobbing geben und ein rechtzeitiges Einschreiten ermöglichen. -
Klassenregeln
Regeln für ein soziales Miteinander in der Klasse erleichtern es besonders jüngeren Kindern, Strukturen zu wahren und bewusst miteinander umzugehen. Die Regeln können Sie gemeinsam mit der Klasse erarbeiten. -
Aufmerksamkeit
Die oben genannten Anzeichen für Mobbing sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Eine erhöhte Aufmerksamkeit für Veränderungen bei Schülern erleichtert auch den Zugang zur Seele des Kindes. Es fühlt sich ernst genommen und umsorgt. -
Präventionsprogramm „DU DOOF?!“
Mit „DU DOOF?!“ hat die Stiftung „Mobbing stoppen! Kinder stärken!“ ein bundesweites Präventionsprogramm gegen Mobbing und Cybermobbing ins Leben gerufen. Die Stiftung wurde von dem Schauspieler und Moderator Tom Lehel, der als Kind selbst Opfer von Mobbing wurde, gegründet.
Da Mobbing immer häufiger bereits an Grundschulen festzustellen ist, setzt das Programm bereits hier an und unterstützt Lehrerinnen und Lehrer durch Fortbildungen und kostenloses Material.
Ziel von „DU DOOF?!“ ist es, Schul- und Klassengemeinschaften für das Thema Mobbing zu sensibilisieren und den Schülern aufzuzeigen, wie sie Mobbing selbstbewusst entgegentreten können.
Weitere Informationen zu dem Programm „DU DOOF?!“ erhalten Sie hier.
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Haltestelle für Freunde
Haltestellen für Freunde bzw. "Buddy Stops" gibt es an immer mehr Kindergärten und Grundschulen. Es handelt sich dabei um einen Treffpunkt für Kinder, die sich einsam fühlen, Redebedarf haben oder einfach Gesellschaft möchten. Andere Schüler, die als Schulhof-Buddys geschult wurden, gehen auf Kinder zu, die an der Haltestelle warten. Dadurch soll auch einer Ausgrenzung einzelner Kinder vorgebeugt werden.
Mehr über die Maßnahme erfahren Sie im Beitrag "Buddy Stop: Eine Haltestelle für Freunde".
Maßnahmen gegen akutes Mobbing
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Klare Stellungnahme
Bei Verdacht auf Mobbing innerhalb der Klasse müssen Sie sofort intervenieren. Auch wenn Opfer und Täter noch unbekannt sind, müssen durch Aufklärungsarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen erste Schritte eingeleitet werden.
So machen Sie Ihren Schülern deutlich, dass Mobbing ein ernstes Vergehen ist, dem gegenüber keine Toleranz gezeigt werden darf! Eine Verankerung von klaren Aussagen im Schulkonzept zu Verhaltensweisen, die nicht hingenommen werden sowie zu Konsequenzen bei Verstößen kann Sie als Lehrkraft unterstützen.
Kann das Problem nicht sofort gelöst werden, sollte für die Planung des weiteren Vorgehens die Schulleitung hinzugezogen werden. -
Konfrontation der Täter
Eltern sollten die Kontaktaufnahme mit dem oder den Tätern vermeiden. Hier sind Schulleitung, Lehrkräfte, Elternbeirat oder spezielle Beratungsstellen die besseren Ansprechpartner.
Durch das Aufzeigen der weitreichenden Folgen für die Betroffenen soll versucht werden, einen Perspektivenwechsel der nicht aktiv beteiligten Schüler und bestenfalls auch der Täter zu bewirken. Täter müssen zur Rede gestellt werden und an der Lösungsfindung beteiligt werden – Opfer, Täter und nicht aktiv Beteiligte müssen einen Weg finden, wieder zu einer Klassengemeinschaft zusammenzuwachsen. -
Informationen über zentrale Hilfestellen
Unterstützung für Sie und Schüler bieten die schulpsychologischen Beratungsstellen der Länder.
Manchen Schülern fällt es schwer, Personen im nahen Umfeld um Hilfe zu bitten. Hilfe kann dann von zentralen Notfall-Stellen kommen, über die Sie Ihre Schüler informieren können. Eine Auflistung von Telefon-Notrufen und Internet-Beratungsstellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz stellt die Seite „Mobbing – Schluss damit“ zur Verfügung.Hilfreiche Informationen speziell zum Thema Cybermobbing bietet auch das Bündnis gegen Cybermobbing.
Anti-Mobbing-Foren im Internet bieten die Möglichkeit, Kontakt mit anderen Betroffenen oder ehemaligen Mobbing-Opfern herzustellen. Das Bewusstsein, dass man nicht alleine von dem Problem betroffen ist, kann helfen, wieder Selbstbewusstsein zu gewinnen und sich aus der Opferrolle zu befreien.
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Schulwechsel
Ein Wechsel der Schule ist für gemobbte Kinder meist keine wirkliche Lösung. Eine versäumte Klärung der Situation kann ein Gefühl von Mitschuld zurücklassen, wie auch Misstrauen gegenüber den neuen Klassenkammeraden. -
Mobbing ist kein Kavaliersdelikt
Obwohl kein spezielles „Anti-Mobbing-Gesetz“ existiert, schützen bestehende Gesetze wie das Recht auf Schutz vor Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs (§201 StGB) oder das Recht am eigenen Bild (KunstUrhG §22, 33) Mobbing-Opfer. Auch Nötigung (StGB 240) und Nachstellungen (StGB 238) sind strafbar. Der Gang zur Polizei sollte aber der letzte Ausweg bleiben, wenn pädagogische Maßnahmen nicht greifen. Sie stellen für eine Reintegration in die Klasse die bessere Möglichkeit dar.
Mit kooperationsfördernden Maßnahmen (Gruppen-, Projektarbeit) und gemeinsamen Aktionen stärken Sie Ihre Klasse. Achten Sie darauf, Ihre Schüler gerecht zu behandeln, keine Vorurteile zu hegen oder unbedachte Witze auf Kosten von Schülern zu machen. Denn auch Lehrerinnen und Lehrer können durch ihr Verhalten Mobbingsituation verstärken oder sogar initiieren!
Ein starkes Gemeinschaftsgefühl, ein gutes Klassenklima und ein vertrauensvolleres Verhältnis zu Ihnen als Lehrkraft bietet jedoch keinen Nährboden für Mobbing!