Der Klassenrat

Lehrerin und Schüler legen Hände aufeinander

Das erfahren Sie in diesem Beitrag

    • Selbstorganisation und Demokratie im Unterricht
    • Der Klassenrat – pädagogische Zielsetzungen
    • Einführung eines Klassenrats
    • FAQ: Klassenrat
    • Fazit

Selbstorganisation und Demokratie im Unterricht

Unterrichtsstörungen beruhen häufig auf Unstimmigkeiten in der Klassengemeinschaft, Streitigkeiten zwischen einzelnen Schülern und auch Problemen zwischen Schülern und Lehrenden. Ein Klassenrat bietet den Rahmen, das Miteinander zu verbessern und Konflikte  aus der Welt zu schaffen.

Natürlich nehmen Etablierung und Klassenratssitzungen Zeit in Anspruch. Die Vorteile für die Klasse und die Kompetenzen, die Ihre Schüler erwerben können, sind jedoch unglaublich vielfältig.

Im Folgenden möchten wir Ihnen deshalb Tipps zur Einführung und Abhaltung von Klassenversammlungen vorstellen.

Unser heutiges Verständnis des Klassenrats ist besonders durch zwei Ansätze geprägt:
In der Freinet-Pädagogik ist die Klassenversammlung ein Mittel zur Entfaltung von Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme durch die Schüler. Alle sind gleichberechtigt bei der Festlegung von Regeln für das Miteinander, der Klärung von Konflikten und Bewertung des Erreichten. Die Schüler lernen so aktiv, was Demokratie bedeutet. 

Der zweite Ansatz ist individualpsychologisch geprägt: Der Aspekt der Selbstorganisation tritt hinter der Sicht des Klassenrats als Mittel zur Problemlösung und Streitschlichtung zurück.

Der Klassenrat – pädagogische Zielsetzungen

Fachliche und methodische Kompetenzen:

Die Schüler lernen,
    • Entscheidungen demokratisch zu treffen (Mehrheitsentscheidungen, Konsensbildung)
    • verbale und nonverbale Kommunikationsformen einzusetzen
    • Projekte und Aufgaben selbst zu organisieren
    • Protokoll zu führen
    •  ein Gespräch zu leiten
    • Regeln und Zeitpläne zu erstellen und zu beachten
    • Verantwortung innerhalb einer Gruppe zu übernehmen
    • sich sprachlich korrekt auszudrücken
    • Argumente zu formulieren

Soziale Kompetenzen:

Die Schüler lernen,
    • anderen zuzuhören
    • ihre Gefühle als Ich-Botschaften anderen mitzuteilen
    • eine Meinung zu bilden und zu vertreten
    • Meinungen anderer zu akzeptieren und respektieren
    • Kompromisse zu schließen
    • Gesprächsregeln zu beachten und fair zu diskutieren
    • konstruktiv Kritik zu üben und mit Kritik umzugehen
    • Konflikte zu lösen
    • das eigene Verhalten zu reflektieren

Einführung eines Klassenrats

Die Initiative zur Gründung eines Klassenrats kann von Ihnen, aber auch von den Schülern ausgehen.

Je nach Alter der Schüler benötigen sie in der Anfangsphase noch etwas Unterstützung durch Sie. Je mehr sich das Ritual etabliert hat, desto mehr können Sie sich aus einer aktiven Rolle zurückziehen.

Überprüfen Sie immer wieder die Passung von Aufgabe und Möglichkeiten der Schüler. Über- aber auch Unterforderung kann Ihre Schüler demotivieren. Gerade am Anfang bieten sich deshalb zum Ende der Sitzung Reflexionsphasen an, in denen die Schüler Kritik und Verbesserungsansätze äußern dürfen.

Einmal pro Halb- oder Schuljahr ist eine Evaluation als Feedbackmöglichkeit für die Schüler sinnvoll.

In der Einführungszeit ist vieles noch ungewohnt und Ihre Schüler werden dann und wann vielleicht noch Hilfestellungen benötigen. Sie können Schüler, die Schwierigkeiten haben, ihren Standpunkt klar zu äußern, durch gezieltes Nachfragen auf die Sprünge helfen (meinst du das …?, verstehe ich dich richtig …?). Auch das Zusammenfassen von Diskussionsergebnissen, das Zeitmanagement und die Vermeidung von Abschweifungen muss trainiert werden.

Eisbrecher:
Ein großes Ziel eines Klassenrats ist es, die Klassengemeinschaft zu festigen und die Klassenkameraden mit ihren Bedürfnissen, Ängsten und Wünschen besser kennen zu lernen, was ein großes Verständnis füreinander fördert.
Gerade zu Beginn ist das aber noch nicht gegeben, v. a. wenn die Klasse gerade erst zueinandergefunden hat. Für die Schüler ist es dann schwer, sich vor den anderen zu öffnen und die eigene Meinung kundzutun. In dieser Phase helfen spielerische Elemente, wie Aktivierungsspiele, das Eis zu brechen.

In den Betzold Blog-Beitragen zum Thema „Aktivierungsspiele – Kleine Energieschübe für Ihren Unterricht“ finden Sie Anregungen für „Eisbrecher-Spiele“:
Teil 1: Gruppenfindungs- und Kennenlernspiele
Teil 2: Konzentrations-, Entspannungs- und Auflockerungsspiele

FAQ: Klassenrat

In der Einführungsphase müssen zunächst die Rahmenbedingungen gemeinsam geklärt werden:

Welche Themen sollen im Klassenrat besprochen werden?

In vielen Klassenräten kommen v. a. Konflikte und Probleme auf die Tagesordnung. Ihre Klärung ist hier natürlich richtig verortet.

Der Klassenrat kann aber noch mehr: Klassenfeste, Exkursionen oder Projekte können von den Schülern eigenverantwortlich geplant werden, wodurch demokratische und selbstorganisatorische Kompetenzen gestärkt werden. Im Prinzip kann alles aufs Tableau kommen, das die Klasse bewegt: Klassen- und Gesprächsregeln, Klassendienste, Raumgestaltung, Hausaufgabenpensum, Gruppenzwang …

Wie oft und wie lange tagt der Klassenrat?

Es ist wichtig, dass der Klassenrat regelmäßig zusammenkommt, nicht erst, wenn größere Probleme bestehen. Die meisten Klassenversammlungen finden einmal wöchentlich zu einem festen Zeitpunkt statt. Es bietet sich an, eine halbe Stunde zu reservieren. So bleibt die Möglichkeit, bei Bedarf auf eine komplette Schulstunde zu verlängern.

In welcher Form setzen wir uns zusammen?

Besonders ältere Schüler bleiben lieber an ihrem Platz sitzen, statt einen Stuhlkreis zu bilden. Dieser macht jedoch Sinn, da sich so alle ansehen können. Die Veränderung der Sitzordnung wirkt zudem wie ein Signal dafür, dass nun etwas Neues beginnt und erleichtert den Schülern von Unterricht auf Klassenrat „umzuschalten“.

Wer leitet den Rat und führt Protokoll?

Die Gesprächsleitung kann von einem oder zwei Schülern übernommen werden. In diesem Fall kann ein Schüler die Moderation übernehmen, während der andere die Regeln und die Zeit im Blick hat. Die Klassenratsvorsitzenden sollten jede Woche wechseln, so dass alle Schüler zum Zug kommen.
Auch die Rolle des Protokollanten wird durchgetauscht. Das Protokoll enthält die Ergebnisse der Versammlung. Es ist nötig, um zu überprüfen, welche Punkte im Lauf der Woche geklärt werden konnten oder ggf. nachbesprochen werden müssen. Die Protokollanten können auch eine Rednerliste führen, um die Ratsleiter zu unterstützen. Je nach Alter der Schüler benötigen die „Amtsinhaber“ besonders am Anfang noch etwas Unterstützung durch Sie.

Welche Aufgabe hat die Gesprächsleitung?

Der Ratsvorsitzende
    • hat einen Überblick über die Tagesordnungspunkte
    • ruft diese nacheinander auf
    • achtet auf die Zeit
    • verhindert, dass die Diskussion vom Thema abkommt
    • erteilt das Wort
    • sorgt für die Einhaltung von Regeln
    • unterbindet Zwischenrufe und Störungen
    • fasst die Gesprächsergebnisse kurz zusammen
    • gibt die Namen der nächsten Leitung und des Protokollanten bekannt
    • beendet die Versammlung

Wie wird die Tagesordnung erstellt?

Anträge und Vorschläge dürfen von jedem Klassenmitglied – auch den Lehrerinnen und Lehrern – gemacht werden. Manche Klassen nutzen hierfür einen Postkasten, andere ein Klassenratsheft oder Wandplakate, in das Klassenmitglieder ihre Anliegen in Form von Ich-Botschaften mit Namensnennung eintragen. Hilfreich sind vorformulierte Rubriken (z. B. „Was ich gut finde“, Was mir nicht gefällt“, „Was ich vorschlage“, „Worüber ich sprechen möchte“).

Die aktuelle Klassenratsleitung fügt die Punkte dann zur Tagesordnung zusammen und macht diese vor der Sitzung öffentlich (z. B. durch einen Aushang in der Klasse). Dadurch hat jeder Zeit, sich eine Meinung zu bilden und Argumente zurechtzulegen.

Welche Rolle haben Sie im Klassenrat?

Sobald die Schüler mit dem Ablauf vertraut sind, sind alle gleichberechtigte Mitglieder des Klassenrats – auch Sie (wobei Ihnen eine besondere Vorbildfunktion zukommt).

Gibt es jedoch grobe Regelverstöße, die durch die Leitung der Versammlung nicht bemerkt werden (z. B. wenn ein Schüler bloßgestellt wird), unterstützen Sie die Klassenratsvorsitzenden. Genauso äußern Sie sich, wenn die Schüler selbst eine Situation nicht klären können. Versuchen Sie lediglich Denkanstöße zu geben, so dass die Schüler selbst zu Ergebnissen finden können. Grundsätzlich gilt aber: Je mehr die Schüler selbst lösen können, umso besser!

An welche Regeln halten wir uns?

Die Schüler sollten maßgeblich an der Ausarbeitung der Gesprächsregeln beteiligt sein. Ob die aufgestellten Regeln ausreichen, erfahren die Schüler im Lauf der ersten Versammlungen. Möglicherweise ist es nötig, Regeln zu modifizieren oder auch neue Regeln hinzuzufügen. Dieser Prozess ist wichtig, um den Sinn der Regeln zu verinnerlichen und sie zu akzeptieren.

Hier einige Beispiele für Gesprächsregeln:
    • Wir fallen niemandem ins Wort (hier kann ein Rednerstab oder anderes Objekt helfen, dass denjenigen mit Rederecht kennzeichnet).
    • Wir warten mit unserem Beitrag bis wir aufgerufen werden.
    • Bei Konflikten hören wir uns erst die Meinungen der Beteiligten an.
    • Beiträge müssen sich auf das aktuelle Thema beziehen.
    • Wir lachen niemanden aus, beleidigen niemanden und machen uns über andere nicht lustig.

Wie läuft eine Versammlung des Klassenrats ab?

Im Detail können Ihre Schüler den Ablauf bestimmen. Mit der Zeit wird sich eine feste Struktur des Ablaufs etablieren.

Nach der Begrüßung und Eröffnung der Runde durch den Klassenratsvorsitzenden, wird häufig eine Anerkennungsrunde eingebaut, in der jeder Lob und Positives über Mitschüler, Lehrerinnen und Lehrer und allgemein schulische Vorgänge äußern darf.

Positiv gestimmt kann danach die Tagesordnung Punkt für Punkt abgearbeitet werden. Als erster Punkt sollte überprüft werden, ob die im letzten Protokoll festgehaltenen Aufgaben erledigt und Beschlüsse umgesetzt wurden. Falls nicht, werden sie erneut diskutiert.

Nach der Nennung des nächsten Tagesordnungspunkts übergibt der Gesprächsleiter an denjenigen, der den Punkt notiert hat und bittet ihn das Problem oder den Vorschlag zu erläutern. Besteht ein Konflikt mit bestimmten Personen, dürfen diese ihre Sichtweise der Dinge äußern. Danach erkundigt er sich, ob es Lösungsvorschläge und Meldungen zu diesem Thema gibt und erteilt den Schülern nacheinander das Wort.
Über Lösungsvorschläge zu Problemen und allgemeine Vorschläge stimmt die gesamte Klasse ab.

Vor der Beendigung des Klassenrats werden die gefassten Beschlüsse und Aufgaben nochmals kurz zusammengefasst.

Fazit:

Respektvolles Miteinander, mehr Selbstbewusstsein, Übernahme von Verantwortung und  ein Training in Konfliktbewältigung, Kommunikation und Demokratie – ein Klassenrat bringt viel positives Potential für die Klasse sowie den einzelnen Schüler mit sich. Und es kann schon früh losgehen:

Erste Ansätze des Klassenrats können bereits in der ersten und zweiten Klasse in Form eines durch Sie geleiteten Montagmorgenkreises eingeführt werden. Dort dürfen die Kinder z. B. von ihren Wochenenderlebnissen erzählen.

Ab der dritten Klasse sind Schüler bereits in der Lage, selbstständiger im Klassenrat zu agieren. Ist in der Sekundarstufe I der Klassenrat einmal etabliert, werden Sie sich schnell aus Ihrer aktiven Rolle zurückziehen können. Für Schüler der Sekundarstufe I und II bieten beispielsweise die Diskussion von und das Mitwirken an Beschlüssen der Schülermitverwaltung neue spannende Ansätze. So wirkt sich die Arbeit von Klassenräten positiv auf das gesamte Schulklima aus.