Warum sich Lehramtsstudierende JETZT für bildungsbenachteiligte Kinder engagieren sollten
2020 war für uns alle kein leichtes Jahr. Abgesehen von der gesundheitlichen Bedrohung durch das Coronavirus hat die Pandemie noch einiges mehr an Schaden angerichtet.
Besonders von der Pandemie betroffen sind in Deutschland allerdings die einkommensschwachen Familien, vor allem die Kinder aus bildungsfernen Schichten.
In Deutschland ist mehr als jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Das sind 2,8 Mio. Kinder und Jugendliche. Für zwei Drittel ist Armut ein Dauerzustand. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit aufgrund der Corona-Pandemie verschärft die schon bereits angespannte finanzielle Lage dieser Familien zusätzlich. Hinzu kamen dann noch die Kita- und Schulschließungen, die viele Familien vor neue Herausforderungen stellten und die Bildungsungleichheit in Deutschland verstärkten.
Das erfahren Sie in diesem Beitrag
- Warum Corona die Situation von Kindern aus einkommensschwachen Familien verschlimmert
- Motivation fürs Lehramt futsch? Soziales Engagement hilft!
- Initiativen, die jetzt schon etwas bewegen
- Neues Wissen, neues Handeln, neue Lebenslagen
- Jeder Person davon erzählen, die es hören sollte
- Die Kinder dort treffen, wo sie bereits sind
- An den Hebel setzen
- Nur Mut!
Warum Corona die Situation von Kindern aus einkommensschwachen Familien verschlimmert
Kinder, die in Armut aufwachsen, leiden besonders unter den Schulschließungen. Armutsfolgen wie beengter Wohnraum, kaum Zugang zu hochwertigem Spielzeug, gestresste Eltern und mögliche familiäre Gewalterfahrungen werden in der aktuellen Lage durch fehlende Ausweichmöglichkeiten in den Schutzraum Schule besonders schwere Folgen für sie haben. Krise und Armut könnten sich später in einem schlechten oder gar verfehlten Schulabschluss niederschlagen.
Eine weitere Herausforderung stellt auch der fehlende Zugang zu sowie der nicht souveräne Umgang mit digitalen Medien und Lernmaterialien dar. Digitale Medien bieten Kindern zwar viele Möglichkeiten, sich Lernmaterial selbständig anzueignen und Aufgaben spielerisch zu bearbeiten, allerdings besteht auch die Gefahr des Überkonsums. Der kann bei Kindern Frustrationen, Aggressionen und Depressionen auslösen, vor allem dann, wenn sie sich selbst überlassen werden.
Es fehlt oftmals an Laptops und Druckern, stabilem WLAN, aber auch an ruhigen Arbeitsplätzen und der elterlichen Unterstützung bei der Bewältigung von Schulaufgaben. Sie haben somit nicht die gleichen Möglichkeiten wie Kinder aus privilegierten Familien, den Schulstoff in gleicher Weise aufzuarbeiten und sind somit in Gefahr, den Anschluss an die Klasse zu verpassen. Hinzu kommt, dass längere Pausen wie etwa durch Schulschließungen armutsgefährdete Kinder in ihrer Schulbildung benachteiligen. Sie verlieren bereits Gelerntes und machen Rückschritte in ihrer Lernentwicklung.
Motivation fürs Lehramt futsch? Soziales Engagement hilft!
Auch das Lehramtsstudium ging durch die Corona-Pandemie nicht mehr seinen gewohnten Lauf. Das Unileben wurde in den digitalen Raum verlegt, Schulen wurden geschlossen, Praktika abgesagt. Und besonders die fehlende praktische Erfahrung machte vielen Studierenden zu schaffen.
Nicht nur die Frage, ob sich das Studium jetzt noch in Regelstudienzeit schaffen ließe, stand im Raum. Die Praxis an Schulen ist ein wichtiger Baustein im Lehramtsstudium, der angehenden Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit gibt, herauszufinden, ob der Lehrberuf das Richtige für sie ist, und zu lernen, sich in der Lehrenden-Rolle kompetent und wohl zu fühlen. Und bei der Kritik an Lehrkräften und Schulen, die in sozialen Medien geteilt wurde, ist es nicht verwunderlich, wenn sich nun einige Studierende fragen, ob sie diesen offensichtlich sehr stressigen Beruf bei solch geringer Wertschätzung überhaupt machen wollen.
Deshalb ist 2021 das perfekte Jahr, um sich den nötigen Schwung Motivation zu holen, um gestärkt ins nächste Semester zu kommen und genau zu wissen, warum die Schulen gerade SIE brauchen! Wie das geht? Mit einem Ehrenamt für bildungsbenachteiligte Schülerinnen und Schüler!
Die brauchen nämlich besonders jetzt Unterstützung und es gibt viele Möglichkeiten, wie Sie Ihre Stärken und Fähigkeiten dafür einsetzen können. Auch für Sie kann ein ehrenamtlichen Engagement viele Vorteile haben:
- Sie können Ihre pädagogischen Kompetenzen weiterentwickeln,
- mit Gleichgesinnten neue Bekanntschaften schließen
- und vor allem nach monatelangem Zuhause-Sitzen wieder einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen.
- (Und ja, auch auf dem Lebenslauf macht sich zivilgesellschaftliches Engagement ganz gut.)
Hier stellen wir ein paar spannende Organisationen vor, bei denen Engagement mehr als nur Ehrenamt ist. Außerdem folgen ein paar grundsätzliche Tipps für die Umsetzung eigener Ideen.
1. Initiativen, die jetzt schon etwas bewegen!
Es gibt viele gemeinnützige Organisationen, die sich dem Ziel Bildungsgerechtigkeit verschrieben haben. Es muss also niemand das Rad neu erfinden. Vielleicht ist ja genau die richtige hier dabei.
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climb-Lernferien
Bei den climb-Lernferien lernen Grundschulkinder und junge Erwachsene zwei Wochen lang mit- und voneinander. Es gibt Mathe- und Deutschunterricht, aber auch kreatives und sportliches Projektlernen und spannende Ausflüge.
Die Aufgabe der freiwilligen climb-Lehrerinnen und -Lehrer ist es, Kinder stark für ihre Zukunft zu machen. Außerdem bietet climb ein kostenloses Weiterbildungsprogramm, das das Feedback von erfahrenen Trainerinnen und Trainern und jede Menge spannender Workshops umfasst. Lehramtsstudierende profitieren von den Lernferien also mindestens genauso sehr wie die Kinder. -
Tausche Bildung für Wohnen
Wer im Ruhrgebiet studiert und eine günstige Bleibe sucht, für den wäre ein Engagement als Bildungspatin bzw. Bildungspate bei "Tausche Bildung für Wohnen" vielleicht etwas. Denn hier bekommt man das WG-Zimmer für lau! Acht Stunden in der Woche helfen Patinnen und Paten den Schülerinnen und Schülern in der Nachbarschaft spielerisch beim Lernen und organisieren coole Freizeitangebote. Indem man im selben Stadtteil wie die Kinder wohnt (zusammen mit anderen Bildungspatinnen und -paten), ist man Teil einer tollen Community und gestaltet sie aktiv mit. Solange man also offen dafür ist, z. B. nach Duisburg-Marxloh oder Gelsenkirchen-Ückendorf zu ziehen, hat man hier die Möglichkeit, richtig viel zu bewirken. -
ROCK YOUR LIFE!
ROCK YOUR LIFE! sucht Mentorinnen und Mentoren und das deutschlandweit. Sie werden in professionellen Trainings ausgebildet, um eine*n bildungsbenachteiligte*n Schüler*in bei der Potentialentfaltung zu begleiten. Sie treffen sich regelmäßig mit eine/r Mentee und unterstützen ihn/sie, sich Ziele zu setzen. Darüber hinaus unternehmen sie, was beiden Spaß macht – egal ob ins Kino gehen, Fußball spielen, Kaffeetrinken oder Spazierengehen. Auch als Mentor*in hat man hier die Chance, selbst persönlich und beruflich zu wachsen. -
Balu und du
Als Balu übernimmt man mindestens ein Jahr lang eine individuelle Patenschaft für ein Kind. Einmal in der Woche nimmt sich ein Balu ein paar Stunden Zeit, verbringt Quality Time mit seinem „Mogli“, macht Hausaufgaben mit ihm oder ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe durch spannende Ausflüge. Die Kinder profitieren von der Teilnahme am Programm, denn sie lernen so Einiges dazu. Dabei zeigt sich, wie viel es zusammen zu staunen, zu reden und zu lachen gibt. Auch die Balus wachsen an der Beziehung und können die Welt noch einmal mit Kinderaugen entdecken. -
Kreidestaub
Oft ist schon viel getan, wenn man sich intensiv mit dem Thema Bildungsgerechtigkeit beschäftigt. Wenn Sie diese Route gehen möchten, ist der Kreidestaub e.V. ein toller Einstieg. Dort bekommen Studierende die Chance, auf Lernreise zu gehen, um innovative Schulformate kennenzulernen, die eigene Haltung als Lehrkraft zu reflektieren und selbst innovative pädagogische Projekte anzustoßen. Außerdem findet man ein großes Netzwerk, das den Austausch fördert und einen thematischen Raum öffnet, in dem es um Schule, Lernen und Lehren geht.
2. Neues Wissen, neues Handeln, neue Lebenslagen
Keine Zeit für ein Ehrenamt? Nicht so schlimm. Tatsächlich haben Sie schon viel für eine gerechtere Bildung getan, denn Sie haben sich hier zur aktuellen Bildungskrise in Deutschland informiert. Vielleicht wissen Sie jetzt sogar etwas, was Sie vorher noch nicht wussten. Und jedes neue Wissen führt zu neuen Handlungen. Vielleicht achten Sie später als Lehrkraft darauf, dass Sie ihren Unterricht chancengerecht gestalten oder Sie wählen eine Politikerin/einen Politiker, die/der das Bildungswesen zum Besseren verändern möchte. So können sich durch Ihr Handeln ganz real die Lebenslagen bildungsbenachteiligter Kinder ändern.
3. Jeder Person davon erzählen, die es hören sollte!
Hilfreich ist es natürlich auch, wenn Sie über die Situation von armutsgefährdeten Kindern sprechen, egal ob in persönlichen Gesprächen oder in den sozialen Medien. Indem Sie andere Menschen auf Missstände hinweisen, wird das Thema als relevant wahrgenommen und der gesellschaftliche Druck, Lösungen zu suchen, wird größer. Worte haben also auch Macht und wenn Sie sich momentan nicht anderweitig engagieren können, kann persönlicher Aktivismus schon viel Gutes anstoßen.
4. Die Kinder dort treffen, wo sie bereits sind
Sie könnten Kindern aus einkommensschwachen Familien gratis Nachhilfeunterricht geben oder mit ihnen pädagogisch wertvolle Ausflüge machen. Aber wie kommt man an diese Kinder heran? Eine Anzeige über private Social Media bringt einen wahrscheinlich nicht weiter. Am erfolgreichsten ist es, dort hinzugehen, wo sich viele der Kinder schon aufhalten: in den strukturschwachen Stadtteilen Ihrer Stadt. Vielleicht gibt es dort ja Archen oder Jugendzentren, in denen man sich engagieren kann. Auch Flüchtlingsheime können eine Anlaufstelle sein und eignen sich insbesondere dann, wenn man eine der Muttersprachen der Kinder spricht.
5. An den Hebel setzen
Warum gibt es nicht einfach Gesetze, die eine gerechte Teilhabe an Bildung ermöglichen? Dann bräuchte es auch keine gemeinnützigen Projekte mehr, die diese Lücke füllen. Diese Denkweise könnte für Sie die Motivation sein, sich in die Politik zu wagen und so die realen Bedingungen armutsgefährdeter Kinder zu verbessern. Gerade in der Kommunalpolitik kann sich die Wirkung Ihrer Arbeit schnell bemerkbar machen. Und Kinder brauchen Menschen, die ihre Interessen in der Politik vertreten.
Nur Mut!
Es gibt da draußen ganz sicher ein Engagement, das zu Ihnen passt und bei dem Sie ihre Stärken für eine gute Sache einsetzen können. Es gilt: Ausprobieren und schauen, ob der Funke überspringt. Denn Sie haben es verdient, genau zu wissen, warum Sie sich fürs Lehramt entschieden haben, und ein Engagement, das Spaß macht, wird Sie jeden Tag daran erinnern.
Quellen:
- Bertelsmann Stiftung: Factsheet Kinderarmut in Deutschland, 2020, [online]
- Irion, Thomas; Zylka, Johannes: Wie Grundschulkinder in Zeiten von Corona lernen können. Ein Interview über Mediennutzung und Lernen an Grundschulen, In: Lehren und lernen 46, 2020.
- Ackeren, Isabell van; Endberg, Manuela & Locker-Grütjen, Oliver: Chancenausgleich in der Corona-Krise. Die soziale Bildungsschere wieder schließen. In: Die deutsche Schule 112, 2020.
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