
Sexualkundeunterricht in der Grundschule

Schulische Sexualerziehung: Ein wichtiges, doch nicht immer einfaches Unterrichtsthema
Sexualerziehung bzw. sexuelle Bildung ist als Unterrichtsinhalt in den Lehrplänen für Grundschulen aufgeführt und damit eigentlich ein Unterrichtsthema wie jedes andere auch.
Grundschullehrerinnen und -lehrer machen in der Praxis jedoch immer wieder die Erfahrung, dass es durchaus ein besonders sensibles Thema ist, wenn sie Eltern über die geplante Vermittlung von Sexualkunde im Unterricht in Kenntnis setzen.
Was gilt es also bei der Vermittlung zu beachten?
Sexualkunde ist in den Lehr- und Bildungsplänen für Grundschulen sowie in den Schulgesetzen der Bundesländer fest verankert. Unterschiede bestehen weiterhin in den Themen, die behandelt werden sollen, fakultativ oder gar nicht vorgesehen sind, sowie in der Klassenstufe, in der sie vermittelt werden.
Die Information der Erziehungsberechtigten ist beim Thema Sexualkunde unerlässlich
Ein Teil der Erziehungsberechtigten ist sicher ganz froh darüber, dass die Kinder in der Schule aufgeklärt werden. Nach einerUmfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem April 2019 sprechen sich 85% der Befragten klar für Sexualerziehung im Unterricht aus.
Weniger Einigkeit herrscht über den Zeitpunkt:
Im Kindergarten | 5% |
In der Grundschule | 24% |
In der Unterstufe | 37% |
In der Mittelstufe | 20% |
In der Oberstufe | 4% |
Sollte gar nicht stattfinden | 2% |
Keine Angabe/weiß nicht | 8% |
Quelle: YouGov.de
In der Schule sind kindgerechte Materialien vorhanden und zu den Lehrkräften kommen oft auch speziell geschulte Fachleute in den Unterricht (Angebote gibt es z. B. von Pro Familia). Manche haben dagegen gegenüber einer Vermittlung von Sexualerziehung durch Personen außerhalb der Familie Bedenken: Welche Themen werden behandelt? Ist die Vermittlung altersgerecht?
Sexualerziehung ist nach wie vor ein sensibles Thema, dessen gelungene Vermittlung besonders bei Grundschülern unbedingt auf dem Austausch mit den Erziehungsberechtigten fußen sollte. Die Information und ein solcher Austausch sind gemäß den Richtlinien der Bundesländer für Schulen in der Regel verpflichtend.
Die Information der Eltern über die Inhalte und Materialien, die zur Verwendung kommen, kann viele der Bedenken schnell zerstreuen. Auch geben Informationsveranstaltungen, wie z. B. Elternabende, den Erziehungsberechtigten die Möglichkeit, Fragen zu äußern auf die Sie direkt eingehen können. Da selten alle Erziehungsberechtigten bei Elternabenden anwesend sind, sollten Sie zusätzlich einen Elternbrief dazu aufsetzen.
Wie Sie es skeptischen Eltern erleichtern können, eine ablehnende Haltung abzulegen
Altersgerechte Materialien:
Es ist oft unglaublich hilfreich, den Eltern die Materialien, mit denen Sie arbeiten, zu zeigen. So wird deutlich, dass die Unterrichtsmaterialien für die Grundschule das Thema Aufklärung altersgerecht aufbereiten. Bei Bedenken lassen sich oft Alternativen finden, wie stilisierte, comicartige Bilder von Geschlechtsteilen anstelle realistischer Abbildungen.
Im Betzold Online-Shop finden Sie Lehr- und Lernmittel zum Thema Sexualkunde wie verschiedene Anschauungsmaterialien und Bücher:
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Geeignete Materialien zur Sexualaufklärung aus dem Printbereich bietet auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) an:
Zu den Materialien
Ein breit gefächertes Informationsangebot stellt lehrer-online.de mit dem Themenportal Pubertät zur Verfügung. Hier finden Sie neben freien Unterrichtsmaterialien zu den Themen Pubertät, Identitätsbildung und Gesundheit auch Selbstlernmaterialien sowie interaktive Übungen für Ihre Schülerinnen und Schüler:
Unterrichtsziele erläutern:
Natürlich sind die biologischen Hintergründe ein wichtiger Teil der Sexualerziehung – haben mit einem „Porno-Unterricht“, der in manchen Köpfen herumzugeistern scheint, aber nichts gemein: Ein Ziel der schulischen Sexualerziehung ist es, die Schüler zu befähigen, selbstbestimmt und verantwortungsvoll mit Sexualität umzugehen.
Ein weiterer liegt auf dem Umgang mit Gefühlen, der Stärkung des Selbstwertgefühls und der Körperwahrnehmung. Der Unterricht soll dazu beitragen, dass die Schüler ein Bewusstsein für einen gewaltfreien und respektvollen Umgang in einer partnerschaftlichen Beziehung entwickeln. Dabei ist es nötig, sowohl die biologischen Zusammenhänge zu vermitteln als auch ethische, kulturelle, emotionale und soziale Fragen zu thematisieren.
So heißt es in vielen Vorgaben der Bundesländer zum Sexualkundeunterricht. Die Kinder sollen verstehen, wie sich Körper und Gefühle in der Pubertät, die bei vielen schon im Grundschulalter beginnt, entwickeln. So ist es ihnen möglich, den Aspekten des Erwachsenwerdens aufgeklärt und ohne Angst zu begegnen.
Auch beim vieldiskutierten Thema „sexuelle Vielfalt“ geht es v.a. um soziale Aspekte:Das Verständnis der Begriffe „Ehe“ und „Familie“ hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Neben der Familienkonstellation Vater, Mutter, Kind gibt es heute eben auch Familien, bei denen Kinder bei zwei Vätern, zwei Müttern oder überwiegend bei einem Elternteil aufwachsen. Die im Bundestag beschlossene „Ehe für alle“ stellte zuletzt die Ehe zwischen Mann und Frau der zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partner gleich. Ein weiterer Bestandteil der Sexualerziehung ist die Vermittlung von Akzeptanz und Toleranz gegenüber den verschiedenen Formen sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität.
Das Sprechen über verschiedene Ehe- und Familienmodelle, Geschlechterrollen, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität kann Vorurteilen und Ausgrenzungen vorbeugen und den Kindern Orientierungshilfen für das eigene Leben geben.
Sexueller Gewalt gegen Kinder vorbeugen:
Aufklärung ist eine wichtige Präventionsmaßnahme, um sexuellem Missbrauch von Kindern vorzubeugen. Die Stärkung des Selbstbewusstseins, das Benennen von Gefühlen und das Wissen um Grenzen sowie das Recht „Nein“ sagen zu dürfen, sind ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts.
Sexualität in den Medien:
Kinder kommen durch die Medien, v. a. das Internet, viel früher mit dem Thema Sexualität in Kontakt, als vielen Eltern bewusst ist. Selbst wenn der Zugang daheim reglementiert ist, gibt es doch immer Freunde, bei denen das weniger streng gehandhabt wird. Der Aufklärungsunterricht gibt den Kindern in Bezug auf die Rolle der Medien beim Thema Sexualität eine Orientierungshilfe. Häufig stoßen die Schüler in den Medien auf Sprechweisen über und Darstellungen von Sexualität, wie Pornografie, die alles andere als kindgerecht sind. Der Unterricht hilft ihnen, diese einzuordnen.
Geschlechtergetrennter Unterricht:
Je nach Klasse kann es sinnvoll sein, manche Themen des Sexualkundeunterrichts geschlechtergetrennt zu behandeln. Einigen Schülern fällt es so leichter, über Sexualität zu sprechen und Fragen zu stellen. Wird das Thema in der Parallelklasse zeitgleich eingeplant, kann Ihre Kollegin bzw. Kollege „Ihre“ Jungen oder Mädchen übernehmen und umgekehrt. Dieses Angebot erleichtert es auch einem Teil skeptisch eingestellter Eltern, der schulischen Sexualerziehung zuzustimmen.
Meinungsaustausch:
Die Erörterung der Standpunkte kann im Rahmen von Elternabenden oder Elterngesprächen geschehen. Die Information über die Themen und Materialien macht dies möglich. Je mehr diskutiert wird und Fragen gestellt werden, umso besser können Unklarheiten beseitigt und Kompromisse gefunden werden. Aber: Eltern können der Schule nicht vorschreiben, wie und ob Sexualkundeunterricht erteilt wird – genauso wenig wie es umgekehrt möglich ist.
Können Eltern die Teilnahme ihrer Kinder am Sexualkundeunterricht verweigern?
Doch trotz guter Argumente sind nicht immer alle Eltern mit dem Sexualkundeunterricht in der Grundschule einverstanden:
- Manchen erscheint die Behandlung des Themas zu früh angesetzt. Sie befürchten eine vorzeitige Sexualisierung der Kinder oder auch, dass eine zu detailreiche Thematisierung verstörend wirken könnte.
- Andere lehnen die Vermittlung von Sexualkunde in der Schule komplett ab. Sie sehen das Recht darauf komplett im Elternhaus verhaftet. Nicht selten stehen dahinter Glaubens- oder Wertvorstellungen, die aus Sicht der Eltern nicht mit der Vermittlung von Sexualerziehung in der Schule im Einklang stehen.
- Manchmal sind es auch einzelne Themen, wie die Behandlung sexueller Vielfalt im Unterricht, die die Gemüter erregen. So gab es vor der Einführung des neuen Bildungsplans in Baden-Württemberg zahlreiche Demonstrationen und Petitionen gegen und für die Aufnahme des Themas „Sexuelle Vielfalt“.
Manche Schulen scheinen diesen Bedenken Rechnung zu tragen, indem sie eine Teilnahme am Sexualkundeunterricht von der Erlaubnis der Eltern abhängig machen:
Auf Twitter postete im Juni 2017 die Nutzerin „Mama2.0“ ein solches Erlaubnisformular, auf dem abgefragt wurde, ob das Kind Informationen zu „Bezeichnung der Körperteile bei Jungen und Mädchen“ sowie „Veränderungen am Körper durch Wachstum“ erhalten darf. Man fragt sich, was passiert, wenn die Eltern diese Erlaubnis verweigern.
Hierzu sei angemerkt, dass eine Erlaubnis der Eltern nach erfolgter Information über Inhalt und Form des Unterrichts in Sexualerziehung nicht erforderlich ist. Sexualkunde als Unterrichtsthema ist für alle Schüler verpflichtend.
Zwar ist es Teil des Erziehungsrechts der Eltern, das eigene Kind individuell aufzuklären, doch der staatliche Erziehungsauftrag befugt Schulen auf Grundlage landesrechtlicher Gesetze Sexualkundeunterricht zu erteilen. Das elterliche Erziehungsrecht und der schulische Erziehungsauftrag sind beide im Grundgesetz verankert und gehen also Hand in Hand.
Das Fernbleiben vom Unterricht, z. B. aus Glaubensgründen, ist deshalb nicht möglich:
2011 urteilte der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte, dass die Beschwerden von fünf deutschen Baptistenfamilien, die ihre Kinder u. a. nicht am Sexualkundeunterricht teilnehmen lassen wollten, unzulässig seien. Zuvor hatten bereits deutsche Gerichte festgestellt, dass die Schule die Aufgabe einer neutralen Wissensvermittlung zur Sexualerziehung auf Basis wissenschaftlicher und pädagogischer Erkenntnisse habe.
Wie gehe ich mit heiklen Fragen der Schüler um?
Wenn Sie als Lehrerinnen und Lehrer Sexualkunde in der Grundschule unterrichten, sind v. a. Souveränität und Empathie gefragt. In einer 4. Klasse können neben noch sehr kindlichen 8-jährigen weit reifere 10-jährige sitzen. Auch bringen die Kinder durch die Aufklärung seitens der Eltern oder auch dem, was sie über die Medien aufgeschnappt haben, ganz unterschiedliche Wissensstände und damit sehr unterschiedlich geartete Fragen zum Thema Sexualität mit.
Mitunter kann die ein oder andere sehr explizite Frage darunter sein. Seien Sie darauf gefasst und lassen Sie sich nicht aus dem Konzept bringen ;-)
Sofern die Fragen ernst gemeint sind, gilt es, auf diese offen, sachlich korrekt und gleichzeitig altersgerecht zu antworten. Dabei soll Ihre Antwort auf der einen Seite eine Orientierungshilfe für die Schüler bieten, darf andererseits aufgrund des Indoktrinationsverbots keine (Ab-)Wertung verschiedener Konzepte von Sexualität und des Sexuallebens enthalten oder zu einem bestimmten Verhalten drängen.
Eine Fragenkiste hilft den Kindern, den Mut zu fassen, alles zu fragen, was sie wissen möchten und gibt Ihnen Zeit, eine passende Antwort zu formulieren.
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