Handys und Smartphones in der Schule
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Unterrichtsstörung oder Unterrichtsbereicherung?
„Schulen mit Medienverboten sind keine modernen Schulen! Die Schule der Zukunft lässt sich leicht erahnen – modern sind diejenigen, die sich darauf vorbereiten und Medienkompetenz fördern!“, so lautet zumindest die Meinung der Schülervertretung der Theodor-Storm-Schule in Husum zum Thema „Nutzung von Smartphones in der Schule“.
Noch ist die Haltung der meisten Schulen eine andere: In der Regel darf von Smartphone und Handy während der Unterrichtszeit nichts zu sehen und v.a. nichts zu hören sein, sonst droht die Höchststrafe für den jungen „Digital Native“: Der Entzug des liebsten Kommunikations-, Unterhaltungs- und Informationsgeräts!
Contra: Handys und Smartphones stören den Unterricht und verbreiten jugendgefährdende Inhalte
Seit einigen Jahren kämpfen in Schulklassen zwei Parteien um die Aufmerksamkeit der Schüler: Da sind zum einen Sie als Lehrkraft und auf der anderen Seite die Handys oder Smartphones der Schüler.
Man könnte beinahe auf den Gedanken kommen, die kleinen Geräte hätten ein Aufmerksamkeitsdefizit. Jede noch so winzige Regung in den Kommunikationskanälen wird mit einem Geräusch untermalt. Und jedes Mal, wenn das im Unterricht geschieht, gewinnt das Gerät die Runde. Ihnen bleibt nur, die kichernden Klassenkameraden und den mehr oder weniger peinlich berührten Besitzer der Störungsursache zu ermahnen, zu maßregeln und zu versuchen, mit dem Lehrstoff weiterzumachen.
Aber auch wenn das Handy nur vibriert, haben Sie in den meisten Fällen die Aufmerksamkeit des Schülers verloren. Welcher Schüler kann schon dem Drang widerstehen, zu prüfen, ob er nicht eben eine lebensverändernde Nachricht erhalten hat?
Inzwischen entspricht die Zahl der Handys und Smartphones im Übrigen praktisch der der Schüler. Das zeigten die Ergebnisse der JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) von 2014 :
Es ist deshalb absolut nachvollziehbar, dass für manche Ihrer Kolleginnen und Kollegen die Geräte sozusagen die personifizierten Unterrichtsstörungen sind, die Zeit und Nerven kosten.
Andere haben bei der Vorstellung einer Handyerlaubnis in der Schule sofort Horrorvisionen von Pausen vor Augen, in denen jeder Schüler nur noch auf sein Smartphone starrt und eine direkte Kommunikation nur noch Nostalgie ist.
Viele befürchten auch, dass beinahe eine gesamte Generation süchtig nach den Möglichkeiten ist, die die Geräte bieten.
Und natürlich ist das Smartphone unter Schülern ein wichtiges Statussymbol.
Es kommt der Bedeutung von Markenkleidung mit allen negativen Auswirkungen schon längst gleich und geht noch darüber hinaus: Die Minderheit ohne Smartphone ist von den wichtigsten Ausdrucks- und Kommunikationskanälen teilweise (Facebook, YouTube) oder sogar vollkommen (WhatsApp, Instagram) abgeschnitten.
Viel ernster sind aber die Probleme, die mit der Aufnahme-, Verbreitungs- und Wiedergabefunktion von Smartphones zusammenhängen: (Cyber-) Mobbing, Sexting und das Anfertigen und Weitergeben von Gewaltvideos (Happy Slapping).
Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Bestimmt haben Sie es auch schon miterlebt, wie sehr das Klassenklima durch Aktionen auf Facebook (gelöschte Markierungen auf Fotos, Änderungen auf der Freundesliste …) oder unvorteilhafte Fotos und Videos, die online gestellt wurden, gestört wird. Und auch hier fällt die Schlichtung der Streitigkeiten (deren Gründe oft nur für die Beteiligten Sinn machen) häufig in die Unterrichtszeit.
Wenn Sie dann noch selbst einen Blick auf YouTube werfen und dort „Lehrer rastet aus“ in die Suchfunktion eingeben, wird eindrücklich deutlich, dass nicht nur Schüler, sondern auch Sie ein beliebtes Ziel der jungen Filmemacher sind. Die Übergänge zwischen einem amüsanten Foto oder Video und Cybermobbing sind fließend.
Diese Argumente gegen eine Nutzung von Smartphone und Handy während der Schulzeit müssen ernst genommen werden!
Doch die Geräte sind schon jetzt Teil der Lebensrealität der Schüler und selbst wenn ein striktes Nutzungsverbot während der Unterrichtszeit greifen würde, blieben die Probleme in der übrigen Zeit bestehen.
Die Stimmen für eine verbindliche Verankerung der Schulung von Medienkompetenz in den Lehrplänen der Länder werden deshalb immer lauter. Smartphone und Handy haben so schnell wie wohl kein anderes Gerät zuvor eine immense Bedeutung erlangt. Der Bildungsauftrag verpflichtet Schulen, ihre Schüler auf das Leben vorzubereiten. Smartphones und Internet sind ein wichtiger Bestandteil des beruflichen und gesellschaftlichen Lebens – digitale Möglichkeiten sind längst das Wesentliche, keine Dekoration!
Pro: Smartphones können den Unterricht bereichern und Schüler zum Mitmachen motivieren
Trotz dieses kleinen Plädoyers in Sachen Medienkompetenz halten wir es nicht für die beste Lösung, den Schülern eine uneingeschränkte Nutzungserlaubnis für Handys und Smartphones zu erteilen.
Klare Regelungen sind wichtig!
Smartphoneregeln wirken zum einen präventiv, da jedem die Konsequenzen bekannt sind, und bieten für Sie eine (am besten in der Schulordnung) festgelegte Handlungsoption bei Verstößen.
Eine gut formulierte Handyordnung ist zugleich eine kleine Medienkompetenzfortbildung: Die Schüler erfahren, welche Aktionen nicht nur an der Schule unerwünscht, sondern sogar strafbar sind!
Verbote helfen meist wenig
Bei all den beschriebenen Ärgernissen und Gefahren, die Smartphone und Handy in der Schule mit sich bringen, sollten wir das positive Potential, das in den Geräten steckt, nicht vergessen! Eine Verteufelung und ein allzu strenges Handyverbot wären nicht zielführend.
Handy und Smartphone sollen nicht den Reiz des Verbotenen erhalten, die Schüler müssen lernen, verantwortungsbewusst mit ihnen umzugehen. Einige Schulen haben deshalb bereits den Weg einer Kombination von Unterrichtseinbindung und Nutzungsregeln eingeschlagen.
Wenn alle Rahmenbedingungen für einen Einsatz im Unterricht geklärt sind, ist der springende Punkt:
Was kann das Smartphone für den Unterricht, für Sie und die Schüler tun?
1. Recherche:
Gegenüber dem Schulbuch verfügt das Internet über aktuellere sowie schneller und einfacher zugängliche Informationen. Ihre Aufgabe ist es, den Wert der vielen Informationsquellen gemeinsam mit den Schülern zu reflektieren, wo sind welche Themen zu finden und ganz wichtig: recherchieren, nicht kopieren! Was ist ein Zitat und was ein Plagiat. Vielleicht ersparen Sie dadurch einem künftigen promovierten Politiker unter Ihren Schülern das vorzeitige Karriereaus …
2. Kommunikation:
Dafür waren die Geräte irgendwann ja einmal gedacht. Heute läuft die Kommunikation in erster Linie über Messenger-Dienste und soziale Netzwerke. Viele Schüler sind längst über kleinere Chat-Gruppen oder einen Klassenchat miteinander verbunden. Ein unmoderierter Chat kann aber zu Problemen und Missstimmungen in der Klasse führen. Umso sinnvoller ist es, Klassenchats zu thematisieren und vielleicht einen Versuch zu starten, diese Kommunikationsmöglichkeit als Lernnetzwerk zu nutzen.
Der Lehrer und Social-Media-Experte Philippe Wampfler schildert Schwierigkeiten und gibt wertvolle Hinweise.
Ein Chat bietet die Möglichkeit, Experten, die oft nicht in der Nähe wohnen und ohnehin wenig Zeit haben, virtuell zu einem Gespräch über Unterrichtsthemen mit den Schülern einzuladen.
3. Kreativität:
Die integrierten Kameras in Smartphones besitzen auch positives Potential: Sie bieten die Chance, den Unterricht durch kreative Elemente, wie das Erstellen von Fotoreportagen, kurzen Filmen und Audioaufnahmen, zu bereichern.
Warum nicht als Einstieg in ein neues Thema mit den Schülern einen Podcast erstellen oder ein Video drehen.
4. Motivation:
Das Smartphone ist für die Schüler sehr positiv behaftet. Die neue Erfahrung, das Gerät im Unterricht einsetzen zu dürfen und vielleicht einmal genauso viel über etwas zu wissen wie die Lehrerin oder der Lehrer (und manchmal ein bisschen mehr) wirkt motivierend.
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Apps, die Schüler durch eine interessante und unterhaltsame Aufmachung zum Üben des Unterrichtsstoffs zu Hause motivieren.
5. „Lernen lernen“:
Durch das Internet und seine Zugangsmedien verliert Faktenwissen zunehmend an Bedeutung, denn die gesuchten Antworten sind immer nur ein paar Mausklicks (oder Touchs) entfernt. Das bedeutet nicht, dass dieses Wissen irrelevant wird! Wir brauchen ein gutes Basiswissen, um nicht zu eindimensionalen Google-Abhängigen ohne historische Verankerung zu werden. Aber: In Zukunft wird es für Schüler wichtiger, über gute Lern- und Informationsbeschaffungsstrategien zu verfügen.
6. Und noch viel mehr:
Smartphone-Funktionen und Apps ermöglichen zahllose Einsatzmöglichkeiten im Unterricht. Hier noch drei Beispiele: Den Schülern hilft es als Vokabeltrainer, Sie können Diktate zum Üben als Audiodateien weitergeben und ist am Ende einer Stunde das Tafelbild oder der Hausaufgabenaufschrieb nicht fertig ins Heft übertragen, kann alles noch schnell abfotografiert werden.
Bevor es losgehen kann, sollten Sie aber zwei Voraussetzungen beachten:
- Ist an Ihrer Schule W-LAN verfügbar, in das sich die Schüler einloggen können, um keine hohen Rechnungen zu verursachen?
- Da die wenigsten Schulen über Tablet-Klassensätze verfügen, ist es am einfachsten, wenn jeder sein eigenes Gerät nach dem Prinzip „Bring your own device“ (BYOD) dabei hat. Allerdings sollten Sie sicherstellen, dass alle Schüler Zugriff auf ein Gerät haben, damit niemand ausgegrenzt wird. Das klappt entweder mit Partnerarbeit oder schuleigenen Leihgeräten.
Für die Schüler ist der größte Gewinn die nun schon mehrfach beschworene Medienkompetenz.
Sie stellt sich zum einen ganz nebenbei mit dem Unterrichtseinsatz der Smartphones ein, die einmal nicht mehr nur zum Kommunizieren und Spielen eingesetzt werden. Zum anderen muss aber eine Schulung insbesondere bei den heiklen Themen Datenschutz, Urheberrecht, Cybermobbing und Gewaltvideos direkt erfolgen.
Das Smartphone stellt Sie als Lehrende vor die Aufgabe: Wie nutze ich das Potential für den Unterricht und gehe zugleich mit evtl. damit einhergehenden Problemen um?
Gemeinsam mit der Schulleitung, dem Kollegium und am besten auch Vertretern aus Reihen der Eltern und Schüler sollte überlegt werden, für was und wann eine Nutzung der Geräte erwünscht und sinnvoll ist. So kann das Smartphone tatsächlich zu einer wertvollen und motivierenden Unterrichtsbereicherung werden – auch wenn die Geräte außerhalb der erlaubten Nutzung zugleich kleine Unterrichtsstörer bleiben können.
Wir sind gespannt, ob die Vorbehalte gegenüber der digitalen Technik tatsächlich auf einer Art Generationenkonflikt zwischen „Digital Immigrants“ und „Digital Natives“ beruhen, oder ob sie noch bestehen, wenn auch die Lehrenden zu den „digitalen Ureinwohnern“ zählen ;-)
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