Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern in 4 Schritten
“Kannst du nicht einmal aufpassen!”
“Immer störst du die Gruppe mit deinen lauten Spielen!”
“Räum doch auch endlich so schön auf wie Lisa!”
Kommen Ihnen diese Sätze bekannt vor? Wahrscheinlich schon, denn solche Sätze beherrschen oft den Alltag mit Kindern. Sie scheinen uns als normal, weil wir sie selbst täglich sagen und auch rund um uns herum, so oder ähnlich, mit Kindern gesprochen wird. Doch auch wenn solche Sätze üblich oder gesellschaftskonform sind, sind genau solche Sätze gewaltvoll und sollten vermieden werden. Warum eine gewaltfreie Kommunikation so wichtig für Kinder ist und wie man dennoch Grenzen aufzeigen kann, möchte ich in diesem Artikel darstellen.
Worte sind Fenster …
Marshall B. Rosenberg ist der Gründer der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) und hat Folgendes gesagt:
“Worte können Fenster sein oder Mauern.”
Was er damit sagen wollte ist, dass Worte entweder einladend, freundlich und offen sein können, oder auch wie Mauern, die verletzen, die hart sind und an die das Gegenüber sich stößt. Bei einer gewaltvollen Sprache denken wir zuerst mal an Beleidigungen, Schimpfwörter oder Beschimpfungen. Doch auch “alltagsübliche” und vermeintlich “normale” Aussagen, wie beispielsweise die oben genannten, können verletzend sein, heftige Gefühle oder Gegenwillen auslösen.
Hört ein Kind solche Sätze, fördert das nicht die Motivation. Denn kaum ein Kind springt nach so einem Satz auf, lächelt und kommt zur Einsicht, dass es sich “bessern” muss. Eine typische Reaktion auf solche Sätze beim Kind ist Schmollen, auf Durchzug stellen, in den Gegenwillen gehen oder sogar frech zurückmeckern.
Genau das hat Marshall B. Rosenberg auch erlebt. Denn er wuchs in Detroit mit viel Gewalt auf. Das war der Grund, warum er sich auf die Suche nach Alternativen zur Gewalt gemacht hat. Er studierte Psychologie und war Konfliktmediator und Berater für Schulen, Kindergärten, aber auch in Gefängnissen und in Krisengebieten.
Er benannte folgende Ziele der Gewaltfreien Kommunikation:
- Konflikte lösen, ohne Gewinner oder Verlierer, und dass alle bekommen, was sie brauchen
- eine Verbindung zum Gegenüber herstellen
- einander verstehen und verstanden werden
- sich mit seinen eigenen Bedürfnissen und Gefühlen auseinandersetzen und ausdrücken
- Bedürfnisse hinter dem Verhalten entdecken
- ein offenes Miteinander pflegen
- Lösungen finden
- Versöhnung schaffen
- einfühlen statt verurteilen
Warum ist gewaltfreie Kommunikation wichtig für Kinder?
Die gewaltfreie Kommunikation hilft, eine vertrauensvolle Beziehung zu Kindern aufzubauen. Diese ist notwendig, um den Alltag in Kindergarten und Schule leichter zu machen. Denn Kinder können aus einer liebevollen Beziehung heraus viel leichter kooperieren, sind weniger im Widerstand und nehmen den Pädagogen/die Pädagogin als Führungspersönlichkeit ernst.
Sie ist wertschätzend, einfühlend und rücksichtsvoll. Bei Konflikten werden keine Lösungen aufgezwungen, sondern es wird versucht, mit dem Kind bzw. mit den Kindern Lösungen zu finden.
Marshall B. Rosenberg hat, um die Gewaltfreie Kommunikation zu veranschaulichen, ein Sprachbild eingeführt, das aus der Wolfs- und Giraffensprache besteht. Jedes Tier steht für bestimmte Einstellungen, Werte und Wege, zu kommunizieren.
Während der Wolf zu Verurteilungen, Verletzungen und Beschuldigungen neigt, steht die Giraffe mit ihrem großen Herz und mit einem überschauenden Blick von oben für eine Sprache voller Liebe, Verständnis und Empathie.
Die Gewaltfreie Kommunikation verzichtet auf die Wolfssprache, die vorwiegend aus folgenden Punkten besteht:
- Verurteilungen, Bewertungen, Unterstellungen und Vorwürfen: b Sätze mit “immer”, “schon wieder”, “(nicht) einmal”, “dauernd”, “ständig”, “nur”, “nie”
- Verallgemeinerungen: b Sätze, die mit „man, keiner, jeder, alle“ formuliert sind
- Befehle und Kommandos: bspw. Sätze mit “müssen”
- “Warum”-Fragen
- “Wenn-Dann-Sonst”-Sätze
Warum es sich lohnt, auf die Wolfssprache zu verzichten, liegt auf der Hand:
- Mehr Miteinander statt Gegeneinander: Kinder, die sich wertgeschätzt und sich ernst genommen fühlen, können viel leichter kooperieren.
- Weniger Streit: Konflikte und Diskussionen gehören zum Menschsein dazu. Völlige Konfliktfreiheit wird es demnach nicht geben, schon gar nicht in einem Setting mit vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten, wie es in einem Kindergarten oder in einer Schule besteht. Aber durch die gewaltfreie Kommunikation lassen sich im Vorfeld bereits Konflikte vermeiden bzw. sind sie nachhaltiger in den Lösungen. Denn wenn Lösungen gemeinsam erarbeitet werden, werden die Lösungen von allen Beteiligten mitgetragen.
- Psychisch gesunde Kinder: Die Gewaltfreie Kommunikation verzichtet auf Lob, Bestrafung und Belohnung und nimmt Rücksicht auf die Persönlichkeit und Gefühlswelt des Kindes. So kann das Kind seinen Selbstwert entwickeln und erfährt, dass es okay ist und angenommen wird, so wie es ist.
Somit hat die Gewaltfreie Kommunikation deutliche Vorteile. Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein erweckt, man darf gar nichts mehr zu Kindern sagen, wenn sie sich fehlverhalten. Denn das stimmt nicht. Bei der Gewaltfreien Kommunikation geht es sehr wohl auch um den Ausdruck der eigenen Grenzen und Bedürfnisse.
Die Gewaltfreie Kommunikation in 4 Schritten
Das Wichtigste zuerst:
Die Gewaltfreie Kommunikation ist nicht nur eine Technik. Nein, sie ist viel mehr! Sie ist ein Prozess und bezieht sehr stark die eigene Einstellung und Haltung zum Thema Erziehung und Kinder mit ein.
Deshalb hat auch die Gewaltfreie Kommunikation einige Grundannahmen, die eine andere Denkweise fördern sollen. Die wichtigste Grundannahme ist:
Jeder Mensch tut in jeder Situation das für sich Bestmögliche. Das Kind macht somit nie etwas gegen einen, sondern immer etwas für sich. Es erfüllt durch sein Verhalten sein eigenes Bedürfnis.
Ausgehend von dieser Grundannahme wollen wir mit der Gewaltfreien Kommunikation die eigenen Bedürfnisse und Gefühle und die des Gegenübers herausfinden.
Dies gelingt in 4 Schritten:
Schritt 1: Die Beobachtung
Was wurde gehört oder gesehen? Bei der Beobachtung ist es wichtig, die Fakten so wertungsfrei und neutral wie möglich zu beschreiben. Es wird auf Interpretationen, Verurteilungen oder Vergleiche verzichtet. Die Beschreibung sollte keinen Widerstand, sondern ein “Ja, das stimmt” beim Gegenüber auslösen.
Die Sätze starten mit “Ich sehe, ich stelle fest, ich höre…”
Beispiel: “Ich sehe alle Bauklötze am Boden verteilt liegen.”
Schritt 2: Das Gefühl
Nun geht es darum, das Gefühl in Bezug auf die Situation zu benennen, ohne einen Vorwurf oder eine Manipulation einzubauen. Wichtig ist noch zu verstehen, dass jeder selbst für seine eigenen Gefühle verantwortlich ist. Ein Gefühl wird niemals von einem Kind erzeugt, sondern immer in einem selbst. Sätze wie “Ich bin wütend, weil du…” sollten vermieden werden, denn dadurch wird Schuld und Scham im Kind erzeugt. Durch die Übernahme der Verantwortung über die eigenen Gefühle wird das Kind von der Schuld entlastet.
Beispiel: “Das macht mich nervös, weil ich gerade mit euch rausgehen wollte.”
Schritt 3: Das Bedürfnis
Nun geht es darum, das Bedürfnis hinter dem Gefühl zu entdecken und für sich selbst herauszufinden, warum es mir gerade so geht, wie es mir geht.
Konflikte entstehen, wenn unterschiedliche Bedürfnisse aufeinanderprallen. In diesem Beispiel haben die Kinder das Bedürfnis nach Spiel, Spaß und Autonomie, weil sie mit Bauklötzen spielen. Die Lehrperson hat das Bedürfnis nach Ordnung.
Beispiel: “Mir ist wichtig, dass alles aufgeräumt wird, bevor wir rausgehen.”
Schritt 4: Die Bitte
Jetzt wird die Bitte ausgesprochen. Marshall B. Rosenberg geht von einem Menschenbild aus, das Menschen grundsätzlich gerne bereit sind, etwas für andere zu tun und kooperieren wollen.
Die Bitte ist keine Forderung oder ein Befehl. Das Gegenüber kann auch die Bitte ablehnen, denn eine Bitte ist verhandelbar. Kommt vom Gegenüber ein “Nein”, dann braucht es zuvor einen guten Kontaktaufbau. Dazu später noch mehr…
Beispiel: “Bitte räumt die Bauklötze hier in diese Kiste ein.”
Das klappt doch nie! Zweifel an der GfK
Viele zweifeln an dieser Stelle, dass die sogenannte Giraffensprache mit Kindern jemals funktionieren könnte.
Deshalb kommt hier mein wichtigster Tipp: Bevor an Kinder eine Aufforderung gestellt wird, muss eine Verbindung zu den Kindern hergestellt werden.
Bei dem oben genannten Beispiel könnte es sein, dass die Kinder nicht aufräumen. Dann ist es empfehlenswert, sich auf Augenhöhe der Kinder zu begeben und sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen.
Kinder leben im Hier und Jetzt und Übergänge von einer Situation zur nächsten oder von einem Ort zum nächsten fallen ihnen oft schwer. Sie sind im Moment versunken und in ihrer eigenen Welt. Deshalb braucht es einen verantwortlichen Erwachsenen, der das Kind aus dieser Welt liebevoll herausführt.
Beispiel: “Oh, ich sehe, ihr habt gerade angefangen eine Ritterburg mit den Bauklötzen zu bauen… wow, ihr wollt gerne noch weiterbauen und die Ritterburg noch größer machen, stimmt’s? … Hm, was können wir da machen… mir ist wichtig, dass es ordentlich in unserem Raum ist, bevor wir alle rausgehen. Habt ihr eine Idee, wie wir das lösen können?”
Hier können Lösungen von den Kindern kommen und da braucht es Offenheit und Klarheit, was für die Fachkraft in Ordnung geht oder nicht. Die Fachkraft kann auch an dieser Stelle Vorschläge einbringen, wie z.B.: “Was haltet ihr davon: Die Ritterburg kann stehen bleiben und alle Bauklötze, die noch nicht verbaut sind, hüpfen ganz schnell in diese Truhe hier…? Seid ihr bereit dazu?”
Wenn mit Kindern so gesprochen wird, sind diese Worte einfühlsam, wertschätzend, verständnisvoll und respektvoll. Kinder fühlen sich an- und ernstgenommen. Genau die wichtigsten Voraussetzungen, damit Kinder kooperieren und ein friedvolles Miteinander erzeugt wird.
Kinder sind wertvolle Wesen und wir sollten auch so mit ihnen kommunizieren.
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